Karneval der Gefühle: Zwischen Masken und Tränen

Fasching und Trauer – zwei scheinbar gegensätzliche Emotionen, die doch oft näher beieinanderliegen, als man denkt. Während Fasching für Freude, Verkleidung und Ausgelassenheit steht, kann Trauer uns lähmen und zurückziehen lassen.

Doch was, wenn beides aufeinandertrifft? Kann man trotz Verlust und Schmerz in das bunte Treiben eintauchen oder fühlt sich das Tragen einer Maske auf einmal ganz anders an? Dieser Artikel zeigt, warum Fasching und Trauer mehr gemeinsam haben, als es auf den ersten Blick scheint.

Eine venetianische Karnevalsfigur mit Maske, prunkvollem Gewand und Geschmeide

 

Fasching: Eine Tradition zwischen Masken, Rollen und Emotionen

Für unseren Sohn (7 Jahre) ist es jedes Jahr ziemlich aufregend, als was er sich im Fasching verkleiden soll: Polizist, Ritter oder doch Feuerwehrmann? In welche Rolle wird er schlüpfen, welche Persönlichkeit möchte er für einen Tag lang sein?

Als Erwachsene stehe ich dem bunten Treiben oftmals etwas skeptisch gegenüber: kann man auf Knopfdruck lustig sein? Was, wenn ich gerade Herausforderungen in meinem Leben habe, kann oder soll ich mich dann mal für einen Nachmittag oder Abend herausnehmen und einfach Spaß sein?

Vor allem, wenn wir gerade einen lieben Menschen verloren haben, fällt es uns schwer, die Leichtigkeit und Freude, die im Fasching herrscht, hereinzulassen. Kann ich überhaupt mein schweres Kostüm, das ich mir mit der Trauer angezogen habe, für eine gewisse Zeit ablegen? Kann ich meine Maske, die mich vielleicht in meinem Trauer-Alltag schützt, abnehmen und Trauer ich mich verletzlich und ohne Schutz zu zeigen?

Fasching und Trauer sind zwei scheinbar gegensätzliche Konzepte, die jedoch überraschende Gemeinsamkeiten aufweisen. Beide sind Ausdruck menschlicher Emotionen und Bedürfnisse, auch wenn sie sich in ihrer Form und ihrem Zweck stark unterscheiden.

 

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Warum feiern wir überhaupt Fasching, Karneval oder Fastnacht?[1]

Egal, wie wir die sogenannte fünfte Jahreszeit nennen, diese Zeit hat eine lange Tradition und gleich drei Ursprünge bzw. Wurzeln:

Die alten Germanen

Um die bösen Geister des Winters zu vertreiben, feierten sie ein ausgelassenes Fest. Sie verkleideten sich schaurig, indem sie sich Masken aufsetzten und mit Rasseln oder Trommeln einen riesigen Lärm machten, um die Dämonen des Winters in die Flucht zu schlagen.  Sie wollten nicht mehr frieren, die Dunkelheit nicht mehr ertragen und endlich auch wieder die Felder bestellen.

Jedoch war die katholische Kirche nicht begeistert von dem fröhlichen Treiben. Sie versuchte das Frühlingsfest zu verbieten, scheiterte jedoch, weil sich die Menschen das Feiern nicht nehmen lassen wollten. So kam die Kirche auf die Idee, nicht mehr die bösen Geister des Winters zu, sondern den Teufel zu vertreiben.

Die Christen

Auch beim zweiten Ursprung hatte die Kirche ihre Finger im Spiel. Für die Zeit von Aschermittwoch bis Karsamstag wurde auf dem Konzil von Nizäa (325 n. Chr.)[2] eine 40-tägige Fastenzeit ausgerufen. Vor dem Verzicht wollten die Menschen sich den Genüssen so richtig hingeben und feierten und aßen ohne Einschränkungen. Die Kirche stellte das Gebet sollte vor das Essen die Menschen hatten daher u.a. auf Fleisch zu verzichten. Aus Angst vor der Hölle, wenn sie sich nicht an die Regeln der Kirche hielten, nahmen die Christen das Fasten sehr ernst.

Die Römer

Im alten Rom finden wir den dritten Ursprung für den Fasching. Dort wurde im Altertum das Saturnalienfest gefeiert, bei dem für einen Tag die Rollen getauscht wurden: Sklaven wurden von ihren Herren bedient. Leute aus dem Volk konnten an diesem Tag öffentlich ihre Meinung sagen, ohne dass sie bestraft wurden. Heute übernehmen gerne die Narren beispielsweise das Rathaus, um die „tollen Tage“ zu begehen.

 

So hat es sich bis heute gehalten, dass sich Menschen verkleiden, damit in andere Rollen schlüpfen oder in Faschingsreden Dinge gesagt werden können, die man sich sonst nicht traut. Erstaunlicherweise wirkt sich das gewählte Kostüm oft auch auf die Körperhaltung, die Mimik und Gestik aus.

 

Ein weibliches Auge, dem am Augenrand eine Träne runterläuft

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Gemeinsamkeiten Trauer und Fasching?

Und was haben jetzt der Fasching und die Trauer miteinander zu tun? Es gibt dann doch einige Gemeinsamkeiten:

  • Beide sind ein Ventil für unsere Emotionen und bieten einen Rahmen, in dem Menschen ihre Gefühle ausleben können. Wir haben auf der einen Seite die Ausgelassenheit, den Spaß und die Gemeinschaft. Auf der anderen Seite finden wir Schmerz, Verlust und die anstrengende Trauerarbeit.
  • Sowohl der Fasching als auch die Trauer sind mit Bräuchen und Ritualen verbunden. Im Fasching stehen die Verkleidungen, die Umzüge und das gemeinsame Feiern im Vordergrund. In der Trauer halten wir uns an Ritualen wie der Beerdigung, der Trauerfeier oder den persönlichen Gegenständen fest.
  • Wenn wir in der Trauer mutig sind, können wir auch bei beiden Anlässen unsere Emotionen teilen: im Fasching ist dies die Freude, die Lebenslust und die Unbekümmertheit. In der Trauer sind es der Schmerz und die Erinnerungen.
  • Und abschließend möchte ich bei den Gemeinsamkeiten noch hinzufügen, dass wir uns sowohl im Fasching als auch in der Trauer mit dem Leben auseinandersetzten. Einerseits das Leben genießen, die Leichtigkeit und Unbeschwertheit spüren. Andererseits sollten wir uns mit der Endlichkeit unseres Lebens auseinandersetzen und den Wert unseres Lebens schätzen.

Ein großer Unterschied ist jedoch, dass der Fasching einen klar gesteckten Rahmen hat und vom 11.11. bis zum Faschingsdienstag dauert. Die Trauer hingegen ist oft ein lebenslanger Prozess, bei dem wir angehalten sind, die schmerzvollen Erfahrungen in unser Leben zu integrieren.

Wenn Sie gerade um jemanden trauern, könnten Sie sich folgende Fragen stellen:

  • Wie sieht es bei Ihnen mit Masken und Verkleidungen aus?
  • Sind Sie in der Trauer ein anderer Mensch geworden?
  • Brauchen Sie manchmal den Schutz einer Maske, um Ihr Innerstes verstecken zu können?
  • Und wenn ja: verstecken Sie Ihre Trauer, Ihre Gefühle, Ihren Schmerz vor Ihnen selbst oder vor Ihrem Umfeld?

 

riesige Meereswelle von rechts kommend mehrer Meter hoch

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Persönliche Erfahrungen

Wenn ich mich an die Zeit, kurz nachdem meine Tochter gestorben ist, zurückerinnere, stelle ich fest, dass ich zu Beginn sehr oft eine Maske aufgesetzt habe – vor allem, um mich selbst zu schützen und um nicht spüren zu müssen, welcher Schmerz eigentlich in mir eingeschlossen ist.

Erst im Laufe der Zeit und mit entsprechender professioneller Begleitung habe ich gelernt, meine Maske immer wieder einmal abzulegen, zu spüren, wie es mir gerade wirklich geht. Dies war ein Prozess und ein stätiges Ausprobieren, was möglich war und was nicht.

Heute kann ich sagen, dass ich größtenteils ohne meine Trauermaske durchs Leben gehe. Wenn ich merke, dass sich meine Trauer in mir anstaut, dann lasse diese Trauer-Welle durch mich durch und kann weitergehen.

Fazit

Fasching ist eine Zeit des Feierns, der Verkleidung und der Leichtigkeit – doch für Trauernde kann er eine besondere Herausforderung darstellen. Dieser Artikel beleuchtet die Ursprünge des Faschings, die tief verwurzelten Bräuche und die erstaunlichen Parallelen zwischen Karneval und Trauer. Während das eine das Leben feiert, konfrontiert uns das andere mit dessen Vergänglichkeit. Doch beide ermöglichen uns, Emotionen auszudrücken und Rollen zu hinterfragen. Letztlich geht es darum, den eigenen Weg zwischen Masken und Echtheit zu finden – sei es in der Freude oder im Schmerz.

 

Sie haben das Gefühl, es ist Zeit, Ihre Masken in der Trauer vermehrt abzulegen und genauer hinzuschauen, wie Ihr Trauerprozess weitergehen kann? Dann lassen Sie uns sprechen, ob und wie genau ich Sie dabei begleiten kann. Buchen Sie hier sich ein 30-minütiges Kennenlerngespräch bei mir.

 

[1] Vgl.: https://www.helles-koepfchen.de/artikel/872.html (abgerufen am 7.2.2025)

[2] https://www.mildioz.at/index.php/aktuelles/item/1982-fragen-rund-um-die-fastenzeit (abgerufen am 7.2.2025)