Resümee 25 Jahre Jubiläumskongress der ÖGPP: „Psychiatrie ist mitten im Leben angekommen“
Dr. Fabian Friedrich, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin anlässlich des 25. Jubiläumskongress der ÖGPP vom 2. bis 5. April in Wien im Experten-Interview über Wandel, Verantwortung und Visionen.
Psychische Gesundheit als gesamtgesellschaftliche Aufgabe
Psychische Gesundheit ist längst kein Nischenthema mehr. In einer Welt, die sich in ständiger Veränderung befindet, wird sie zum Gradmesser für das soziale, wirtschaftliche und ökologische Gleichgewicht unserer Gesellschaft.
Experte des Interviews des Health 4 Me – Blogs ist OA Dr. med. Fabian Friedrich, leitender Oberarzt an der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Medizinischen Universität Wien, Klinischen Abteilung für Sozialpsychiatrie.
Vor knappen 3 Jahren wurde er als Vorstandsmitglied der Österreichischen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik (ÖGPP) eingeladen und aufgenommen. Seine Motivation:
dass Psychiatrie nicht nur heilen, sondern auch mitgestalten darf und kann –
medizinisch, menschlich und gesellschaftlich.

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Vom Umwelt-Aktivismus zum Engagement in der Sozialpsychiatrie: ein ungewöhnlicher Karriereweg
Schon während seines Medizinstudiums war Dr. Friedrich gesellschaftspolitisch engagiert. In einer Umwelt-NPO sammelte er erste Erfahrungen in strategischer Kommunikation und Kampagnenarbeit. Diese Expertise, Fähigkeiten und Erfahrungswerte bringt er heute gezielt in seine Rolle als ÖGPPP-Vorstandsmitglied ein – mit dem Schwerpunkt auf strategische Kommunikation und Medienarbeit, allen voran dem 25 Jahre-Jubliäumskongress Anfang April 2025 in Wien, der Anlass für dieses Interview und Einblick in die Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik in Österreich der letzten 25 Jahre gewährt.
Medizin mit Haltung: Dr. Friedrichs Weg in die Sozialpsychiatrie
Ein Praktikum auf der Universitätsklinik für Psychiatrie entfachte früh seine Leidenschaft für die Sozialpsychiatrie.
Entscheidend war letztlich für ihn nicht nur das klinische Arbeiten, sondern die zwischen-menschliche Tiefe der Begegnung mit den Menschen: der Kontakt mit Menschen in vulnerablen, psychischen Ausnahmesituationen, das Begleiten und Stabilisieren in existenziellen Krisenmomenten.
Was ihn besonders bewegt, ist die Möglichkeit der Sozialpsychiatrie, sowohl medizinisch als auch strukturell Einfluss zu nehmen – auf Versorgungsmodelle, auf das Leben der Betroffenen und ihrer Angehörigen sowie auf gesellschaftliche Rahmenbedingungen. Hier schließt sich der Kreis für sein Engagement für Mensch und Umwelt begonnen schon zu Studienzeiten.

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Psychotische Krisen: Orientierung geben, wo alles unsicher scheint
Psychotische Krisen stellen Betroffene wie Angehörige häufig vor ein unbekanntes Terrain: Symptome wirken diffus, die Situation ist geprägt von Angst, Unsicherheit und oft auch Scham.
Es sind diese zutiefst menschlichen Begegnungen in einer Ausnahme- und Krisensituation und die Gewissheit, mit Expertise, Behandlung und Begleitung die Herausforderung bewältigbar machen zu können, die Dr. Friedrich motiviert: von der Krise über die Weiterentwicklung dank Behandlung und Begleitung aus der Krise in eine neue Stabilität – meist mit Hilfe von Medikation und sozialpsychiatrischen Maßnahmen.
Hier werden echte Sorgen und echte Probleme gelöst, wird Menschen in schwierigen Lebenssituationen geholfen. Vertrauen in die Ärzteschaft und behandelndes Team kommt hier ob der Verletzlichkeit und Hilflosigkeit der Betroffenen wie Angehörigen eine zentrale Rolle zu – und diese werden weder enttäuscht, noch missbraucht. Es stellt eine gänzlich andere Situation als bei einer rein körperlichen Erkrankung dar, wo psychische Bewältigungsmechanismen greifen können – dies tun sie hier nicht.

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Friedrich’s Blick hinter die Kulissen, was Sozialpsychiatrie leisten kann
Für Dr. Friedrich ist es essenziell, diese meist unbekannte erst-manifestierende Situationen lösbar, positiv gestaltbar zu machen und damit zu entmystifizieren: interdisziplinäre Abklärung, ganzheitliche somatische wie psychiatrische Diagnostik, Darstellen der Triggerpunkte, -faktoren, seien sie extern in Form von Substanzen, familiär-genetisch bedingt oder ob psychischer Überforderung und umfassende Information zur Situation aber auch Psycho-Edukation sind wichtig, um die Situation für Betroffene aber auch Angehörige verstehen zu lassen, zu können.
Ziel ist es, die Krise in eine bewältigbare Phase zu überführen – gemeinsam, stabilisierend, mit medizinischer, interdisziplinärer wie menschlicher Expertise. Die heutigen Strukturen der Psychiatrie setzen dabei auf Teamarbeit, Supervision und Intervision als gelebten Alltag – für eine Versorgung, die auch für die Behandelnden tragfähig bleibt.

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25 Jahre ÖGPPP zeigen die Psychiatrie in Österreich im starken Wandel
Aus dem Rand in die Mitte der Gesellschaft – ein Blick zurück, nach for und mittendrin
Lange galt Psychiatrie als Randbereich der Medizin. Doch Dr. Friedrich sieht in ihr eine zentrale Schnittstelle zwischen Individuum und Gesellschaft. Gerade in Fragen wie Migration, transkulturelle Herausforderungen, Krieg oder (häuslicher) Gewalt braucht es psychiatrische Kompetenz.
Der ÖGPPP-Jubiläumskongress, an dessen strategisch kommunikativer Gestaltung Dr. Friedrich intensiv beteiligt war, setzte genau hier an. Psychiatrie soll durch die Kommunikation sichtbar machen, was lange unsichtbar blieb – und konkret mitgestalten, wo lange weggesehen oder gar ausgegrenzt wurde.
Besonders im Bereich häuslicher Gewalt wurde in den letzten Jahren durch vermehrte Berichterstattung, neue Anlaufstellen und institutionelle Sensibilisierung ein wichtiger Schritt gesetzt – bei weiterhin großem Handlungsbedarf, wo eine klare Daten und Faktenlage vieles im Dunklen lässt und Handlungsbedarf aufzeigt.

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Kongress-Highlights: Klima, Interdisziplinarität und Entstigmatisierung der Psychiatrie
Bei einer bemerkenswerten Themenvielfalt erachtet Dr. Friedrich drei Schwerpunkte des Jubiläumskongresses als besonders zentral und relevant, blickt man auf die vergangenen 25 Jahre zurück:
1. Der Zusammenhang von Umwelt, Klima und psychischer Gesundheit
Hitzewellen haben nachweislich Auswirkungen auf psychiatrische Erkrankungen, insbesondere bei vulnerablen Gruppen. Gleichzeitig zeigt die Forschung: Grünräume wirken suizidpräventiv – Umweltfaktoren sind protektiv.
Evidenz und hard facts aus dem Umweltbereich zeigen eben in der Umwelt protektive Faktoren besonders für die vulnerable Gruppe psychiatrisch erkrankter Personengruppen.
2. Interdisziplinarität als neue Normalität
Besonders bei Alkohol-Suchterkrankungen oder Demenz zeigt sich: Einzelkämpfertum ist überholt. Psychiatrie und Neurologie arbeiten heute Hand in Hand aber auch darüber hinaus interdisziplinär, um zeitgemäße Versorgung zu bieten – ambulant wie stationär.
Das medizinische Fach von Psychiatrie und Psychotherapie hat sich im letzten Jahrzehnt zu einem eigenen medizinischen Fachbereich von der Neurologie entwickelt und emanzipiert – bei diesen Erkrankungen übernimmt die Neurologie die somatische, körperliche Diagonstik wie Therapie, die Psychiatrie die psychischen Erkrankungsaspekte; beide arbeiten nach wie vor eng verwoben entlang der Übergänge und Schnittstellen, sodass sie für Betroffene zu lindernden Übergängen und Nahtstellen werden bei optimierter Versorgung.
3. Enttabuisierung psychischer Erkrankungen
Dank prominenter Stimmen wird das Thema sichtbarer. Der Schritt zur offenen Auseinandersetzung mit eigenen psychischen Herausforderungen wird heute öfter gewagt. Damit werden psychiatrische Erkrankungen wie Depression, Schizophrenie, Suchttehmen besprechbar, erörterbar und damit wird es leichter Hilfe zu suchen, Unterstützung zu finden, weil destigmatisiert – ein Fortschritt, der weitergetragen werden muss, gibt es noch immer viel zu tun.

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Errungenschaften der letzten 25 Jahre Psychiatrie in Österreich: Psychiatrie vom Rand in die Mitte der Gesellschaft
Vom Spital ins Leben: Ambulante Versorgung statt stationäre, isoliert und weggesperrt im Spital
Die Psychiatrie hat sich in den letzten Jahren stark aus dem stationären Bereich und damit aus den Krankenhäusern herausentwickelt hin in den ambulanten Bereich und damit in die Mitte der Gesellschaft.
Ambulante Versorgungsmodelle, wie der psychosoziale und andere teils mobile Dienste ermöglichen mehr Teilhaben und Teilnahme an der Gesellschaft, weniger soziale Isolation und ein so gut als möglich selbstbestimmteres Leben für die Patient:innen.
Doch die Kehrseite ist spürbar: Fachärzt:innenmangel, reduzierte stationäre Kapazitäten und steigende Anforderungen an Angehörige und Umfeld. Der Fortschritt ist richtig, verlangt aber nach strukturierter Begleitung – und eine Attraktivierung dieses anspruchsvollen medizinischen Fachbereichs.
Moderne Medikamente – bessere Lebensqualität
Fortschritt von Wissenschaft und Forschung ermöglichen zeitgemäße psycho-pharmakologische Ansätze, hohe Medikations-Qualität und -Controlling sowie leichtere Anwendung und Einnahme.
Besonders bei Schizophrenie oder Bipolarer Erkrankung, schweren psychiatrischen Krankheitsbildern, ist die Medikaition deutlich besser verträglich, zeigen weniger Nebenwirkungen und ermöglichen längere ambulante Behandlungsphasen.
Das verbessert nicht nur die Prognose, sondern auch die Lebensqualität der Patient:innen sowie dauerhafte Integration in Umwelt und Gesellschaft – ein zentraler Aspekt moderner psychiatrischer Versorgung.
Psychiatrie als Zukunftsfach: Magnetische Faszination & Begeisterung statt Mangel
Dr. Friedrich wünscht sich eine zeitgemäße Wahrnehmung seines Fachs – weg vom ‚Mangelfach‘, hin zu einem Zukunftsbereich mit Vielfalt und Tiefe.
Die Psychiatrie bietet ein breites Spektrum: biologische, epidemiologische, forensische und sozialpsychiatrische Ansätze, Psychotherapie, Psychosomatik und Engagement in internationalen Organisationen wie WHO oder UN.
Zukunftsthemen wie künstliche Intelligenz in der Diagnostik und Therapie eröffnen neue Möglichkeiten. Für junge Kolleg:innen ein Feld mit viel Gestaltungs- als auch Entwicklungsspielraum nicht mehr am Rand, sondern im Zentrum der Gesellschaft – fachlich wie persönlich.

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Fazit
Die Psychiatrie von morgen entsteht heute, braucht Sichtbarkeit, Verständnis und Struktur.
Psychiatrie ist nicht länger Randdisziplin oder Anhängsel eines medizinischen Fachbereichs, sondern emanzipierter Kernbereich eines humanen, gesellschaftlich mitdenkenden Gesundheitssystems.
Sie kann und will zentral gesellschaftliche Themen mit lösen, medizinisch und gesellschaftlich relevanten Fakten- und Datenlage zur Verfügung stellen und beitragen zu zeitgemäßen aber auch nachhaltigen, zukunftsfähigen Konzepten.
Dr. Fabian Friedrich, der medizinische Exzellenz mit strategischem Denken und echter, empathischer Menschlichkeit verbindet, arbeitet im Rahmen seines beruflichen Engagements alt leitender Oberarzt ebenso wie als Vorstandsmitglied der ÖGPP am Gelingen dieses Wandel engagiert mit – von der Versorgung zur aktiven Mitgestaltung einer zeitgemäßen, psychisch gesünderen Gesellschaft.
Dr. med. Lucia Ucsnik, MAS, FECSM – Health 4 Me - Host, Gastgeberin, Interviewerin, Expertin
Dr. Ucsnik ist Gastgeberin, Host, Interviewerin und Expertin des Health 4 Me - Blogs. In diesen lädt sie auch andere ExpertInnen zu Beiträgen ein und macht damit hochwertige Expertise niederschwellig, kosten-befreit zugänglich zur Stärkung der Selbstwirksamkeit interessierter Personen und gewährt Blicke hinter die Kulissen des Gesundheits- und Sozialsystems.
Sie ist führende Expertin mit außergewöhnlicher fachlicher Versatilityt & Tiefe für Medizin, Krankenhausmanagement, Medizinische Nachwuchsförderin, Mentoring und Systemweiterentwicklung/ Reformen mit über 25 Jahren einzigartiger, Ergebnis-dichter Erfahrung.
Sie verbindet fundierte klinische Expertise als Ärztin, Wissenschaftlerin, mit Hands-on-Wissen & Erfahrung in Management, Mentoring, Coaching, Innovations- als auch Reformprozessen.
Als Ärztliche Direktorin des Privat-Medizinischen Zentrums für Regenerative Gesundheit & Performance Medizin betreut sie Leistungstragende, Entscheidungstragende, UnternehmerInnen und High- und Top-Performer – sowohl individuell als auch auf systemischer Ebene und teilt ihre Expertise als Speakerin.
🔹 Kompetenz, Reformkraft, Gestaltung von Gegenwart & Zukunft
- Etablierung zeitgemäßer Gesundheitskonzepte
- Über 600 eingeladene interdisziplinäre Fachdialoge mit ExpertInnen und Entscheidungstragenden zu Herausforderungen in Gesundheits- und Sozialsystemen
- Mehr als 70 nationale & (inter)nationale wissenschaftliche Veranstaltungen (Workshops, Seminare, Tagungen, Kongresse)
- 250+ Health 4 Me - Blogs veröffentlicht von 2021 bis 2024
- Vielseitig versierte, Fakten-basiert agierende Ärztinvon Schul- über universitäre Medizin (inkl. Intensivmedizin) bis hin zu ergänzender Medizin gemäß approbierter Zertifikate und Diplome der Österreichischen Ärztekammer
- Mitgestaltung universitärer Medizinstudienreform & zeitgemäßer, strukturierter postgraduelle Ausbildung & Etablierung, Verankerung und Verbreitung von Mentoring im Österreichischen Gesundheits- und Sozialsystem
- Entwicklung des Internationaler Leitfadens zur Integration von Gender Mainstreamingin (Qualitäts) Managementsystemen in Spitälern
- Schlüsselrolle in der größten StrukturReform (Planung, Steuerung, Finanzierung) des österreichischen Gesundheitssystems der II. Republik Österreichs auf Bundespolitischer Ebene
- Aufsetzen von ELGA (elektronische Gesundheitsakte) als Grundlage der Digitalisierung im Gesundheits- und Sozialsystem Österreichs, Kenntnis der Möglichkeiten und Grenzen
- Engagement in div. think tanks und wissenchaftlichen (inter)nationalen medizinischen Fachgesellschaften
- Pionierin für interdisziplinäre Reformen im Gesundheitswesen
- (Inter)nationale Netzwerkerin, Brückenbauerin zwischen konservativen und innovativen medizinischen Gesundheits-Ansätzen
Das Schaffen und Wirken von Dr. Ucsnik verbindet Erfahrung mit visionärer Innovationskraft – für ein starkes, nachhaltiges Gesundheitssystem, dem Leben verpflichtet.
Aus Freude am Tun - für Freude am Leben
Gesundheit fördern - statt Krankheit leben!
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